Deutsches Liedgut, bunte Metallplaketten am Spazierstock und die krachlederne Knickerbocker: Assoziationen, die wohl nur noch ältere Semester mit dem Wandern verbinden. Nach medialer Vorarbeit von Wanderfreunden wie Harald-Schmidt-Assistent Manuel Andrack oder Fernsehmoderator Hape Kerkeling ist das Wandern allerspätestens mit der Corona-Pandemie in der viel beschworenen Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer mehr Menschen – auch jüngere – entdecken es als wertvollen Ausgleich zum Alltags- und Berufsstress und ziehen gut ausgerüstet mit wasser- und windfester Outdoor-Fashion und GPS-Gerät über die Premium-Wanderwege der Nation. Als Wanderbuch-Autorin profitiert die St. Töniserin Natalie Dickmann zwar von diesem anhaltenden Boom, ist aber schon ein alter Hase: Bereits als kleines Mädchen wurde sie mit dem Wandervirus infiziert – und gibt es heute mit Begeisterung weiter.
Vor wenigen Wochen ist bereits ihr zweites Buch erschienen: In „Naturzeit mit Kindern: Niederrhein“ hat Natalie Dickmann 42 kindgerechte Wanderungen zwischen Aachen und Emmerich zusammengestellt, nachdem sie zuvor bereits das Ruhrgebiet erschlossen hatte („Naturzeit mit Kindern: Grüne Oasen im Ruhrgebiet“). „Wer seine Kinder für das Wandern begeistern möchte, sollte immer Routen jenseits der großen Waldautobahnen auswählen. Kleine, verschlungene Abenteuerpfade und Wege an Bachläufen oder über Wiesen, die den Entdeckungs- und Abenteuergeist wecken und natürlich zum Spielen einladen“, empfiehlt Dickmann. „Am besten wird das Ganze außerdem in eine kleine Geschichte eingebunden: Das kann ein bestimmtes Ziel sein, das erwandert wird, ein Picknick an einem besonders schönen Ort oder die Portion Pommes im Gasthof. Die Kinder brauchen Highlights, auf die sie sich freuen können.“ Bei Sohn Levin hat das von Anfang an gut funktioniert – „Gott sei Dank!“, wie die Autorin sichtlich erleichtert hinzufügt, die auch schon einmal einen Tretroller zum Gipfelkreuz geschleppt hat, um dem Spross auf weniger spannenden Wegabschnitten die gewünschte Abwechslung zu bieten. Auch Levins persönlicher Lieblingswanderweg, der Schmugglerpfad im Grenzland bei Straelen, darf im Buch nicht fehlen.
An den genauen Ursprung ihrer Leidenschaft kann sich Dickmann selbst nicht mehr erinnern, wohl auch, weil das Wandern von Anfang an integraler Bestandteil eines jeden Familienurlaubs war: „Wir waren früher immer in Österreich in den Bergen und sind dort natürlich viel gewandert. Mir hat das schon als Kind gefallen: draußen in der Natur zu sein, unterwegs in Wildbächen zu plantschen, Staudämme zu bauen, Rast zu machen und etwas zu essen. Die Begeisterung ist bis heute geblieben: Einmal in der Woche muss ich losziehen. Gelingt mir das nicht, bekomme ich richtig schlechte Laune“, lacht die gelernte Verlagskauffrau. Es ist zum einen die Erholung in der Natur, das „Waldbaden“, wie sie es nennt, zum anderen aber auch die Gelegenheit, etwas Neues zu entdecken, nicht genau zu wissen, was passiert, die die Begeisterung ausmacht. Immer dabei sind ihre Wetter-App, ein Wanderrucksack mit Regenjacke und etwas Traubenzucker sowie ausreichend Wasser. Zieht Familie Dickmann im größeren Kreis mit Freunden los, werden auch schon einmal selbst gebackener Kuchen, Frikadellen oder ein Nudelsalat mitgenommen. „Das Rasten gehörten zum Wandern auf jeden Fall dazu“, gesteht sie strahlend, bevor sie sich vorbeugt und etwas leiser ergänzt: „Und wenn es kälter ist, darf auch schon einmal eine Thermoskanne mit Glühwein ins Gepäck.“
Dass Dickmann ihre so lang gehegte Passion heute sogar in Buchform gießen darf, war zwar nicht geplant, darf aber dennoch als günstige Fügung des Schicksals bezeichnet werden: „Ich habe mir schon früher gern Geschichten ausgedacht und hatte den Wunsch, Schriftstellerin zu werden“, erinnert sie sich. „Mein Germanistik-Studium habe ich dann aber nach kurzer Zeit abgebrochen. Das war überhaupt nichts für mich.“ Die Entscheidung über ihren weiteren Werdegang fällte die Studentin damals in 2.500 Metern Höhe in den Alpen. „Ich hatte mich beworben, einen Sommer lang eine Hütte mit zu bewirtschaften. Das war echte Knochenarbeit, aber es war das Beste, was ich je gemacht habe. Irgendwann möchte ich das mit meinem Mann noch einmal wiederholen!“ Ihren Eltern teilte sie damals per Brief mit, dass sie ihr Studium abbrechen würde. Nach ihrer Rückkehr kam sie bei einem Verlag in Krefeld unter und absolvierte dort die Ausbildung zur Verlagskauffrau. Heute arbeitet sie im öffentlichen Dienst, doch das Schreiben begleitet sie schon seit einigen Jahren. „Ich habe auf meinem Blog „Outdoor-Familien-Glück“ viel übers Wandern geschrieben und davon erzählt, wie wir Levin von Geburt an mitgenommen haben, mir so einen kleinen Namen in der Szene gemacht und natürlich auch viele Publikationen aus diesem Segment gelesen“, berichtet sie. So kam auch der Kontakt zum Naturzeit Reiseverlag zustande, der sich speziell an Familien mit Kindern wendet. „Meine Bücher unterscheiden sich von den anderen Titeln des Verlags dadurch, dass es sich bei Niederrhein und Ruhrgebiet nicht um echte Touristenregionen handelt. Wanderführer zum Schwarzwald oder Allgäu wenden sich in erster Linie an Urlauber, während meine Bücher vor allem von Einheimischen gelesen werden“, erläutert sie. Trotzdem war die Erstauflage des Ruhrgebiet-Buches bereits nach wenigen Monaten ausverkauft und es musste nachgedruckt werden: ein toller Erfolg.
An Ideen für weitere Titel mangelt es Dickmann nicht, aber im Moment ist sie erst einmal froh, ihr zweites Buch-Projekt fertiggestellt zu haben. „Es ist schon viel Arbeit, die Wanderungen zusammenzustellen, abzulaufen und hinterher genau aufzuschreiben. Schließlich muss ja auch das Wetter mitspielen, damit man schöne Bilder machen kann.“ Gedanken, die sie sich bei ihren privaten Touren nicht machen muss. Hauptsache, der Rucksack ist gut gepackt!
Naturzeit mit Kindern: Niederrhein: 42 Wander- und Entdeckertouren für Familien
Naturzeit Reiseverlag
288 Seiten
20,00 EUR
Blog: outdoorfamilienglueck.com
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